[Review] Life is Strange 2 - Jack-Reviews.com

[Review] Life is Strange 2

DONTNOD Entertainment

Life is Strange 2 ist ein indirektes Sequel das einige Jahre nach den Ereignissen in Arcadia Bay beginnt, aber welches storytechnisch so gut wie nichts mit seinem Vorgänger zu tun hat. Man kann am Anfang zwar angeben welches Ende man erhalten hat, das ist im Großen und Ganzen aber komplett irrelevant da es unzählige Stunden dauert bis das Ende tatsächlich mal angesprochen wird. Das ist an der Stelle zwar durchaus ganz nett, aber hätte auch problemlos weggelassen werden können ohne die Story irgendwie zu beeinflussen. Die Szene hat aber zumindest ein bisschen mehr Substanz als die einzig andere Stelle für die das Ende relevant ist, da diese so kurz ist dass man sie quasi verpassen kann wenn man nur kurz blinzelt. Mag für Fans des Originals vielleicht ein bisschen schade sein, aber da die Entwickler offensichtlich versucht haben eine komplett neue Geschichte zu erzählen war es eindeutig die bessere Entscheidung die Anspielungen auf ein Minimum zu beschränken.

Wer den Vorgänger gespielt hat wird sich aber trotzdem wie zuhause fühlen da sowohl die Präsentation als auch das Gameplay beinahe identisch sind. Der einzig nennenswerte Unterschied besteht darin dass man diesmal nicht die Zeit zurückdrehen sondern Objekte mittels Telekinese bewegen kann. Klingt bei weitem nicht so cool und ist es leider auch nicht wirklich, was unter anderem daran liegt dass man nur indirekt auf diese Fähigkeit zurückgreifen kann. Sean Diaz, der Protagonist des Spiels, ist nämlich ein ganz normaler Junge der außer seinen zeichnerischen Fähigkeiten keinerlei nennenswerte Talente besitzt. Sein kleiner Bruder Daniel ist stattdessen derjenige der Superkräfte entwickelt. Und das auch nur aufgrund widriger Umstände durch die die beiden gezwungen sind aus ihrer Heimatstadt zu fliehen und Richtung Mexiko zu reisen. Im Gegensatz zum Vorgänger ist das ganze also als Roadtrip aufgebaut, was meiner Meinung nach das größte Problem das gesamten Spiels ist.

Superkraft

Ich halte den Entwicklern zwar zugute dass sie nicht einfach nur das Konzept des Vorgängers kopiert haben, aber dadurch haben sie auch eine der größten Stärken des Originals über den Haufen geworfen: dass man die Einwohner Arcadia Bays im Laufe mehrerer Episoden immer besser kennenlernen konnte. In Life is Strange 2 gibt es solche Konstanten aber nicht, da jede Episode an einem neuen Ort mit neuen Charakteren stattfindet. Man hat also 3 - 4 Stunden um die Charaktere so ein bisschen kennenzulernen, und das wars dann eigentlich auch.

Ein paar wenige Charaktere kommen zwar tatsächlich in mehr als einer Episode vor, aber in den meisten Fällen muss man sich mit Briefen, Blogeinträgen oder Social Media Kommentaren zufrieden geben um zumindest noch ein bisschen was von ihnen zu hören. Das ist vor allem bei einer romantischen Nebenstory problematisch die man zwar nicht machen muss, aber die ansonsten darunter leidet dass sie komplett in einer einzigen Episode abgehandelt werden muss. Das mag von der Präsentation her zwar ausreichen um diese Storyline einigermaßen glaubhaft rüberzubringen, aber als befriedigend würde ich sie trotzdem nicht bezeichnen. Erst recht nicht wenn man bedenkt dass zwei potenzielle Partner zur Auswahl stehen obwohl die Entwickler scheinbar nicht gewillt waren beide Stories als gleichwertig zu behandeln. Sprich mit der Frau geht man nackt baden und hat anschließend Sex, während es beim Kerl nur zu einem Kuss reicht.

Hippies

Die Beziehung zwischen Sean und Daniel ist von daher das einzige Element das Spiel das ich als gut entwickelt bezeichnen würde. Und wer selbst Geschwister hat, der wird sich vermutlich ganz gut mit einem von beiden identifizieren können. Entweder mit Sean, der ständig dazu genötigt wird ein gutes Vorbild zu sein und der dauernd auf seinen Bruder aufpassen muss selbst wenn er gern ein bisschen Zeit für sich hätte, oder mit Daniel, der seinen Bruder eigentlich mag, aber der sich schnell vernachlässigt fühlt und dann schonmal ausrastet, was aufgrund seiner Superkräfte böse enden kann.

Sean muss dementsprechend aber nicht nur die Rolle des großen Bruders sondern auch die Vaterrolle übernehmen da er Daniel beibringen muss seine Kräfte verantwortungsvoll zu nutzen. Es ist einem als Spieler aber freigestellt ob man Daniel tatsächlich zu einem guten Menschen erzieht oder ob man ihm erlaubt seine Kräfte auf unmoralische Art und Weise zu missbrauchen. Und dadurch haben die Entwickler es tatsächlich geschafft einen der größten Kritikpunkte des Originals aus der Welt zu schaffen: dass das Finale einzig und allein auf eine binäre Entscheidung hinauslief die sich durch nichts beeinflussen ließ.

Life is Strange 2 hat stattdessen vier unterschiedliche Endings (sowie ein paar zusätzliche Variationen) zu bieten die allesamt davon beeinflusst werden wie man Daniel im Laufe des Spiels behandelt hat. In der Hinsicht haben die Entwickler also glücklicherweise aus ihren Fehlern gelernt, zumal keins der Endings offensichtlich gut oder schlecht ist und sie allesamt in etwa die selbe Laufzeit haben. Das Problem ist nur, dass die eigentliche Story so gut wie keine Highlights hat. Ohne eine Katastrophe die man verhindern oder irgendein Geheimnis das man lüften müsste plätschert die Story nämlich sehr gemächlich vor sich hin. Und obwohl die Entwickler versucht haben politische Elemente in die Story zu integrieren leiden diese allesamt darunter dass sie viel zu oberflächlich behandelt werden.

Sean und Daniel

Ich meine, es gibt einen Rassisten der Sean gegenüber handgreiflich wird, einen anderen Rassisten der ihn dazu bringt sich lächerlich zu machen, dann noch mehr Rassisten die zu sehr radikalen Methoden greifen, aber nichts davon hat irgendwelche Substanz und dient im Endeffekt nur dazu Konflikte zu erzwingen. Im Vorgänger wurden einem aber selbst die unsympathischsten Charaktere näher gebracht, wodurch man zumindest verstehen konnte warum sie so sind wie sie sind. Aber hier sind sie halt einfach nur rassistisch weil sie rassistisch sind.

Wenn man über all diese Probleme hinwegsehen kann, dann ist Life is Strange 2 zwar durchaus ein nettes Spiel, aber obwohl es den Vorgänger in mancher Hinsicht übertrifft kommt es trotzdem nicht an dessen Gesamtqualität heran. Und das nicht nur wegen der schwächeren Hauptstory oder den unterentwickelten Charakteren, sondern weil ich die Beziehung zwischen Chloe und Max schlichtweg interessanter fand. Ein weiteres Sequel in dem die beiden erneut die Hauptrolle übernehmen brauche ich aber trotzdem nicht. Erst recht nicht nachdem ich in den Comic reingeschaut habe der als alternatives Sequel fungiert und dessen Story trotz interessanter Ideen wie schlechte Fan-Fiction daherkommt. Falls es jemals ein Life is Strange 3 geben sollte, dann besinnen die Entwickler sich aber hoffentlich auf die Stärken des Originals und bauen gleichzeitig eine coolere Fähigkeit als Telekinese ein.

Life is Strange 2



Life is Strange 2 ist ein nettes Sequel dem ich zwar zugute halten kann dass die Entwickler nicht einfach nur das Konzept des Originals kopiert haben, aber dafür plätschert die Story leider sehr gemächlich vor sich hin und die Nebencharaktere haben so gut wie keine Zeit sich zu entfalten.

 

Positive Aspekte von Life is Strange 2

  • Die Entwickler haben tatsächlich versucht eine neue Story zu erzählen anstatt einfach nur das Konzept des Vorgängers zu recyceln.
  • Der Soundtrack ist zwar ein bisschen schwächer als der des Originals, aber er ist trotzdem sehr atmosphärisch.
  • Die Beziehung zwischen Sean und Daniel hat tatsächlich einen merkbaren Einfluss auf das Ende des Spiels.

 

Negative Aspekte von Life is Strange 2

  • Telekinese ist bei weitem nicht so cool wie die Fähigkeit die Zeit zurückdrehen zu können.
  • Die meisten Nebencharaktere kommen nur in einer einzigen Episode vor, wodurch sich keiner von ihnen so gut entfalten kann wie die Charaktere des Originals.
  • Die politischen Elemente der Story sind allesamt unterentwickelt und laufen im Endeffekt nur darauf hinaus dass manche Menschen rassistisch sind weil sie rassistisch sind.
  • Die Story ist zwar eigentlich ganz nett, aber da es keine Katastrophe zu vereiteln oder irgendwelche Geheimnisse aufzudecken gibt ist sie bei weitem nicht so interessant wie die des Vorgängers.